46km

46km, also etwas mehr als eine Marathondistanz beim Laufen. Mit dem Rad ist das nicht wirklich viel. So weit fuhr ich in meinem besten Jahr 2016 durchschnittlich jeden Tag und oft auf dem MTB oder Querfeldeinrad, 365 Tage im Jahr. Also für einen Tag ohne Radtraining bleiben am Tag darauf 92km übrig usw. …macht 17000km im Jahr. Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder so eine Distanz schaffen werde. Aber nicht, weil ich es nicht mehr könnte, sondern weil ich einfach keine Lust mehr habe, so viel Zeit am Rad zu verbringen. Wenn ich mich motivieren kann, schaffe ich vielleicht wieder einmal die Hälfte davon…

100km mit dem Rennrad?

Das sollte jeder Rennradanfänger relativ schnell ohne Probleme schaffen. Ich kann mich noch genau erinnern, als ich diese Distanz das erste Mal mit etwa 16 Jahren auf einem damals schon veraltetem 13kg Stahlrahmenrennrad knackte. 200km waren damals im ersten Rennradjahr noch absolut unrealistisch, als Training konnte ich das Herumfahren damals auch noch nicht bezeichnen. Ein Jahr später fuhren wir damals aber schon Runden mit 150km und probierten gleich danach noch den Gaisberg hinauf zu fahren, was etwas überraschend dann sogar funktionierte 🙂 Der Gaisberg mit seinen 850 Höhenmetern und bis zu 12% Steigung war mit der 53/42er Kurbel und 6 Ritzeln damals nur in Serpentinen fahrend zu bezwingen und die Verpflegung bestand aus Wasser und Wurstsemmeln und manchmal auch aus Äpfel oder Bananen.

200km

Die 200km sind schon eher eine kleine Herausforderung und ohne längeres Training schon nicht mehr so leicht. Erste Probleme mit der gestreckten Rennradposition treten schon auf, der Sattel wird manchmal schon etwas unangenehm. Auch die Ernährung wird schon langsam interessant, der Hunger kommt bestimmt irgendwann. 100km bin ich oft ohne Essen und manchmal auch ohne etwas zu trinken gefahren. Das geht, so lange es nicht zu warm ist. 200km ohne zumindest einen Riegel ginge vielleicht auch irgendwie. Für ein gutes Tempo muss aber irgendwas gegessen und unbedingt ausreichend getrunken werden.

300km

Ab 300km wird es schon spannender, ohne mehrjähriges Training wird es ziemlich schwer sein, diese Distanz durchzufahren. Knieschmerzen, brennende Fußsohlen usw. können leicht kommen und verschwinden nicht mehr so lange man fährt. Fehler beim Trinken oder bei der Ernährung können unterwegs ohne Pause oder langsam rollen nicht mehr ausgeglichen werden. 300km ohne Pause sind schon nicht mehr ganz ohne, an die Radeinstellungen muss man schon lange gewöhnt sein, trotzdem ist man von Rückenschmerzen und Problemchen aller Art nicht gefeit.

400km

Ab 400km wird es interessant, dort liegt zumindest bei mir sozusagen eine kleine Schallmauer, diese Distanz alleine durchzufahren ist eine psychische und physische Herausforderung, egal wie gut man trainiert ist. Solche Distanzen werden nicht mehr nur mit den Beinen, sondern vor allem mit dem Kopf gefahren.

In der Gruppe ist eine solche Strecke wesentlich entspannter zu fahren. Der Zeitvorteil einer gut funktionierenden Gruppe wird bei so langen Distanzen immer größer. Bei mir war es schon fast eine Stunde Differenz, im Vergleich von etwas über 32km/h Schnitt alleine zu knapp 35km/h Schnitt in der Gruppe. Die benötigten Riegeln und Gels für so eine Fahrt passen gerade noch in die Trikottaschen, ohne dass diese platzen und für die Wasserversorgung merkt man sich am besten schon vorab alle Brunnen auf der Strecke. Wenn es heiß ist, kann es schon sein, dass man während der Fahrt 10 Liter Wasser trinkt.

Gut trainiert kann man auch am nächsten Tag trotzdem wieder 10 Stunden fahren, das Kaloriendefizit ist in den folgenden Tagen auch noch deutlich zu spüren. Die Problemchen der 300km verstärken sich noch etwas. Die Höhenmeter summieren sich auch auf flachen Strecken, unter 3500 Höhenmeter kommt man bei uns trotz dem Umfahren aller Bergstraßen nicht ins Ziel. Diese Distanz geht sich im Sommer alleine gefahren ohne Windschatten noch aus, um nicht im finsteren fahren zu müssen.

36 Stunden am Rad in 3 Tagen, eine Genussradfahrt eben 😉

600km

Bei dieser Distanz geht ohne Beleuchtung auch an den längsten Sommertagen nichts mehr. Das Fahren im finsteren macht so eine Distanz rein psychisch schon nochmals schwerer. 600km sind nicht einfach 300 mal zwei!

Die verbrannten Kalorien während so einer Fahrt entsprechen bei mir fast denen einer ganzen trainingsfreien Woche. Um die Kalorien an diesem Tag wieder aufzufüllen hätte ich zum Grundumsatz noch extra über 100 Bananen essen müssen, bzw. pro Stunde Fahrzeit 5 davon!

Und so fühlt sich der Hunger in den darauf folgenden Tagen auch an, mein Körper wollte einfach nur die ganze Zeit Fett essen… läuft der Fettstoffwechsel während der Belastung voll an, ist es möglich ein knappes Gramm Körperfett pro Minute zu verbrennen. Das summierte sich in den etwas über 18 Stunden reinen Fahrzeit auf ein gutes kg auf… abnehmen kann sooo leicht sein 😉 Ein 3/4 kg war ich auch eine Woche später mit sehr viel mehr Essen als normal immer noch leichter. Das fehlende Körperfett über den Muskeln ist nach so einer Fahrt noch längere Zeit zu sehen.

Bei so einer langen Belastung kommt man schon in Zustände, die ähnlich einer Trance sind, mir kam es so vor, als wenn der Kopf auf einen Energiesparmodus umschaltet. Ein ungefährlicher, angenehmer und zeitloser Zustand, bei dem man aber trotzdem hellwach ist, aber besser keine Entscheidungen mehr treffen muss denn denken wird sehr schwer!

1000km

Als ich das erste Mal von Berichten las, die von 1000km Ausfahrten handelten, dachte ich nur: Wie verrückt muss das denn sein? Was sind das für Radfahrer, die sich so etwas freiwillig antun? Das kann doch keinen Spaß mehr machen… oder etwa doch?
Ich nahm die Herausforderung der 1000km an, nachdem ich im Winter davor etwas kränklich war und wieder nach einer Motivation suchte, um nach dem gesund werden wieder mit dem Training zu beginnen. Der alle zwei Jahre statt findende Superbrevet in Haid bei Ansfelden in der Nähe von Linz bot sich dafür perfekt an. Ich hatte keine Ahnung, wann ich ins Ziel kommen würde und vor allem in welchem Zustand.

Ein Training für eine solche Distanz ist eigentlich unmöglich, man fährt praktisch nur mehr mit dem Kopf. Vielleicht wage ich es einmal solch eine Distanz ohne Schlafpausen durchzufahren… allerdings denke ich nicht, dass dies ohne Betreuung schlau wäre. Zu groß ist die Gefahr eines Sekundenschlafs…

Bei solchen körperlichen Herausforderungen lernt man sehr viel, am meisten über sich selbst. Nach all den Fahrten kann ich die ganzen Ultraausdauerathleten sehr gut verstehen und habe größten Respekt vor ihnen. Und es erscheint mir völlig logisch, dass viele davon Motivationstrainer sind und Vorträge halten.

Man lernt so viel, unter anderem sich selbst immer wieder zu motivieren, nicht gleich beim ersten Hindernis aufzugeben… und auch nicht beim 100. 🙂 Man wird vom Optimisten oder Pessimisten eindeutig zum Realisten! Wie sich eine wirklich lange Fahrt eines Ultraradfahrers anfühlt kann ich nur erahnen, aber ich spüre die starke Faszination, die von diesen Distanzen ausgeht!

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