Irgendwann beim Wandern, nachdem ich die Zeit in der wunderschönen Landschaft völlig vergessen hatte und feststellte, dass ich ja schon wieder viel länger als gefühlt unterwegs war, kam mir der Gedanke:

Mittlerweile wandere ich nicht mehr, es wandert mich 😉

Am Globokopass auf 1800m sollte erstmals am Horizont das Meer zu sehen sein… Alles was wir sahen war ein heftiges Gewitter mit Blitzen, die öfters ganz in der Nähe einschlugen, was so nahe an den Felswänden ordentlich krachte! Ein Gewitter in den Bergen ist immer ein ganz besonderes und faszinierendes Erlebnis, laut, stürmisch und auch gefährlich … ich bin immer sehr froh, wenn es wieder vorüber ist.

Dieses Gewitter konnte es nämlich nicht erwarten und tauchte viel früher als angesagt schon am frühen Vormittag auf. Aber zurückgehen war keine Option mehr, das wäre noch weiter und nicht weniger gefährlich gewesen. Aber was hätte schon passieren sollen, mit mittlerweile 4 Mädels an meiner Seite? 😉

Auf dem Weg traf ich nach der Slowenischen Grenze noch weitere Salzburg-Triest Wanderinnen, eine Schweizerin und später noch 3 Oberösterreicherinnen und wir gingen bis zum Meer immer wieder einmal gemeinsam. Im Abstieg nach einer Hütteneinkehr klarte es etwas auf und wir sahen doch noch das Meer als Silberstreif am Horizont! Voll motiviert gingen wir über schöne Wegerl hinunter nach Tolmin, die eigentliche Alpenüberquerung war endlich geschafft!

Nur noch 4 Tage bis zum Baden im Meer! Aber davor ging’s noch durch die netten Weinberge des Collio, wo es übrigens sehr gute Weine um 1€ pro Achterl gibt. Ab jetzt folgte der Weg meistens dem Alpe Adria Trail und wir gingen von der Strecke die längsten Tagesetappen, die aber wegen der leichteren Wege trotzdem einigermaßen locker und flott zu gehen waren. An der italienischen / slowenischen Grenze sieht die Landschaft manchmal sehr ähnlich zur Südsteiermark aus. Der Weg ging stark hügelig über den kleinen Wallfahrtsort Castelmonte und über die später sehr flache Gegend nach Gradsica d’Isonzo, wo es in einer kleinen Gelateria als Belohnung das allerbeste Eis des ganzen Jahres gab!

In Italien kommt man interessanterweise mit Deutsch oder Englisch nicht weiter. Ganz im Gegensatz zu Slowenien, alle Hüttenwirte konnten gut bis sehr gut Englisch, genau, wie die meisten Slowenen, die ich am Weg traf und die meistens sehr gut gelaunt waren.

Die letzten 3 Tagesetappen bis zum Meer waren allerdings gar nicht so ohne, es war richtig heiß, dazu lagen noch ein paar knackige Abstiege am Weg und ich ging auch manchmal sinnloserweise ein paar extra Kilometer. In der Etappe von Gradisca d’Isonzo kam es mir in der starken Mittagshitze schon sehr anstrengend vor, vom Gefühl war ich noch nicht so lange unterwegs. Bis Mittag war ich allerdings schon über 20km gewandert, einfach kein Vergleich zu den Kilometern in den steilen Bergen!
Im kleinen Naturpark am Lago di Doberdo sah ich wahrscheinlich mehr Heuschrecken als die letzten 20 Jahre zusammen genommen. Bei jedem Schritt scheuchte ich dort vielleicht 100 von denen auf, die in alle Richtungen davonsprangen, das sah aus wie eine Welle, sozusagen ein kleiner Heuschreckentsunami 😉

Am Nachmittag des 24. Tages war es dann endlich soweit, Zeit für den ersten Badespaß im Meer am kleinen Hafen von Duino! Nach einer mehrstündigen Badepause ging ich nochmals ein paar Stunden entlang der Steilküste am schönen Rilkeweg und übernachtete erstmals direkt an einem Strand. Und auch mein Wandermotto hatte sich schon angepasst auf: ‘Wenn ich so ein Meer seh, brauch ich doch keinen See mehr!’

Schon am Abend war weit draußen ein Wetterleuchten zu sehen. Mitten in der Nacht wurde ich dann vom Donnern geweckt und es dauerte keine 10min, bis der Sturm bei mir war. Das Tarp hatte ich wegen 2 unabhängigen, aber wohl zu optimistischen Wetterberichten am Abend gar nicht abgespannt. Für einen ordentlichen Aufbau war in der Nacht auch keine Zeit mehr, aber das Tarp hielt mich trotzdem ziemlich trocken. Nachdem ich so müde war, schlief ich auch mit den manchmal sehr nahen Blitzeinschlägen wieder ein. Interessanterweise schlugen die Blitze trotz der 300m höheren Steilküste immer kurz davor ins Meer ein.

Nach der doch recht kurzen Nacht motivierte ich mich noch vor Sonnenaufgang zu einem sehr erfrischendem Bad im Meer… Wie oft hat man denn auch die Möglichkeit, nach 10 Schritten nach dem Aufstehen gleich ins Meer zu springen? Voller Vorfreude machte mich auf zur letzten Etappe, vorerst wieder einmal steil bergauf, die letzten Höhenmeter der 27000! Die Etappe änderte ich etwas ab, nachdem ich am Nachmittag am Strand unten einen Park mit jeder Menge Leute sah, die dort am Meer badeten. Somit ging ich wieder etwas retour und über verrückt steil gebaute Straßen die 300 Höhenmeter hinunter zum Meer. Somit waren bei der Hitze der Badespaß und das gute Eis schwer verdient. Noch 5km waren es bis nach Triest, also kein Stress mehr und das Meer genießen!

Am Hauptplatz in Triest angekommen war das Gefühl phänomenal, einfach unglaublich geil! Die Wochen davor geht man, und geht, und geht und scheint dem Ziel irgendwie kaum näher zu kommen. Ich blickte oft unterwegs auf die Übersichtskarte der gesamten Tour. In den ersten 2 Wochen kommt man mit den ganzen Bergen auf der Strecke nur langsam voran, Triest lag lange in fast unerreichbarer Ferne. Oft betrachtete ich am Abend das Bild vom beleuchteten Piazza dell’ Unita d’Italia in Triest auf den letztes Seiten des Reiseführers… und plötzlich stand ich wirklich dort, endlich am Ziel!

Ehrlich gesagt wusste ich beim Start nicht, ob ich es auch bis nach Triest schaffen würde, nie ging ich länger als eine Woche am Stück, hatte keine Zeit für Pausentage, ziemlich lange schlechtes Wetter, Schnee, wo schon lange keiner mehr sein sollte. Ich hatte elendig viele Blasen und zog mir auch beim Baden in einem Bergsee einen Schnitt am Fußballen zu, wo ich schon fast ans Aus der Tour dachte.

Manchmal hatte ich nach anstrengenden 3 Stunden berggehen keine 6km geschafft. In Kärnten konnte ich mein Smartphone wegen eines Defekts nicht mehr nachladen und hatte als Navigation nur mehr den gedruckten Reiseführer. Und doch konnte mich nichts aufhalten, im Gegenteil, das Gehen viel mir mit der Zeit immer leichter und machte immer noch mehr Freude.

Die Mischung aus draußen schlafen und Hüttenübernachtungen war perfekt. Ich wusste nie, wo ich die kommende Nacht verbringen würde, nur ein einziges Mal hatte ich im voraus reserviert. Zur Not konnte ich ja immer im Schlafsack übernachten. Somit ging ich immer soweit, wie ich gerade Lust hatte, was die Sache um einiges entspannter machte … und die Etappen natürlich länger 😉 Doch die Zeit die es braucht, braucht es eben…

Die Tour war kein Weitwanderweg im klassischen Sinne, sondern eine lange und schwere Bergtour mit jeder Menge Gipfeln und auch Klettersteigen, an einigen Tagen gings mehr als 2000 Höhenmeter bergauf und manchmal auch soviel bergab, was mit 10kg im Rucksack und den schweren Schuhen doch auch anstrengend war. Somit ging ich die Maximaldistanz des Weitwanderwegs und trotz des vielen Schlechtwetters nie die Schlechtwettervariante des Reiseführers, sondern immer über die Klettersteige. Zwar ließ ich am Beginn meinen Hausberg, den Untersberg aus, ging aber dafür im Steinernen Meer mehr, machte im Raurisertal mehr Höhenmeter und mehr Kilometer und bestieg auch den Sonnblick und den Triglav, was jeweils eine extra Tagestour ist. Und einige Kilometer sammeln sich natürlich bei Stadtbesichtigungen und bei der Wegfindung und Lagerplatzsuche noch zusätzlich an.

Zugegebenermaßen liest sich der Bericht jetzt, als wenn die Tour immer angenehm und fein zum Gehen war. Das wäre natürlich etwas zu optimistisch gedacht. Während der Tour waren manchmal die Volllederschuhe tagelang vollgesogen mit Wasser, die Aussicht gleich Null, die nächste Hütte Stunden entfernt, in der Nacht beim draußen schlafen kamen Gewitter … und trotzdem verlor ich kaum die Freude am Wandern. Manchmal kam ich in 3h keine 6km weit, wie auf der teilweisen wegelosen Zwischenetappe zwischen der Rojacherhütte und der Fraganter Scharte. Jedenfalls war ich wieder sehr froh nach 3h teilweise wegelos im Schnee und Nebel, wieder auf Wegmarkierungen zu stoßen.

Die Frage, ob ich diese Tour weiterempfehlen kann, sollte sich trotzdem schon erübrigt haben. Ich kann so eine Tour nur jedem ans Herz legen, der auch schon am überlegen ist. Wie oft fährt man denn ans Meer, wo das Meer das Ziel ist, aber wie oft hat man denn den Weg dorthin wirklich genossen und etwas erlebt? Diesmal war der Weg das Ziel und das Meer nur der krönende Abschluss. Das Gefühl es zu Fuß von der Haustüre quer über die Alpen ans Meer geschafft zu haben, war wahnsinnig schön. Hätten wir die Zeit gehabt, wären wir die Strecke wohl nach einer Woche Pause auf anderen Wegen auch wieder retour gegangen. 🙂 Weitwandern und draußen schlafen, das sind für mich eine der letzten Abenteuer, die bei uns noch machbar sind.

Am liebsten würde ich gleich mit dir mitwandern, wenn ich die Zeit dazu hätte!” … den Satz oder so ähnlich hörte ich auf der Tour öfters.

Zum Abschluss möchte ich noch einen lieben Dank für die gemeinsame Zeit allen Mitwanderinnen aussprechen und einen speziellen Dank an meinen lieben Freund Albert für den Rücktransport, diesmal nicht in 4 Wochen, nein, in guten 4 Stunden ging’s wieder retour, mir kam das nach der Wanderung schon wie beamen vor…

Wer sich jetzt noch fragt, wie ich eigentlich dazu kam, diese Wanderung zu gehen, oder etwas Motivation sucht, findet hier noch ein paar Worte dazu:

Tags: